Impulsiv 54

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Garchinger Erlebnisse

Matthias Skalitz : Matthias.Skalitz@physik.tu-muenchen.de

"Es trafen sich einmal jeden Montag Nachmittag eine Handvoll Physikstudenten (soweit ich mich erinnern kann, konvergierte der Frauenanteil gegen null) höheren Semesters, um einer interessanten Vorlesung zu lauschen. Der Professor hatte am Semesteranfang versprochen, etwas über Leitung, Nichtleitung oder Halbleitung zu erzählen. Die Studenten merkten bald, daß der Dozent nicht nur vorlas, sondern auch versuchte, die Zuhörer durch (witzige) Bemerkungen und neue Entwicklungen bei Laune zu halten. Was ihm auch größtenteils gelang, denn am Semesterende fand sich der Großteil der Interessierten immer noch im Hörsaal ein. So auch in der letzten Stunde des Semesters. Vielleicht wollte der eine oder andere auch nur den Professor ein letztes Mal sehen, da sich die Gerüchte um eine Berufung in andere Regionen Deutschlands erhärteten. Andere vermuteten, das große Interesse galt nur der versprochenen Zusammenfassung mit anschließender Nachbesprechung ...
Jedenfalls wurde der Stoff durch den Dozenten noch einmal gerafft dargestellt, und im Anschluß an die Vorlesung begaben sich alle in den "Seminarraum"des Lehrstuhls. Die Nachbearbeitung bestand zunächst aus einem Kasten Bier und mehreren Flaschen Saft. Doch nach etwas Physiker-Smalltalk ("Was wollt ihr denn so machen?", "Wie soll das eigentlich mit der neuen Prüfungsordnung so genau aussehen?"..., usw.) kam das Gespräch auf das Physikstudium im allgemeinen und auch speziell an der TUM. Nachdem der eine oder andere Student seinen Frust über das Studium losgelassen hatte, stellte sich heraus, daß man bei diesem Professor nur offene Türen einrannte (zumindest soweit die Meinungen aus den beiden Perspektiven übereinstimmen konnten). So zeigte sich zum Beispiel, daß gerade auch bei den Einführungsvorlesungen die Professoren die größten Probleme sehen. Deshalb einigte man sich schnell, daß bei der Ausbildung vor allem im Grundstudium einiges im argen liegt. Daraufhin wollte man, entgegen üblicher Stammtischlaune, auch noch Verbesserungsvorschläge (!) überlegen. So erfuhr man vom Herrn Professor, daß es in Dortmund ein völlig anderes Modell gibt. Dort sollen angeblich die "Anfängervorlesungen"von einem Experimental-Physiker und einem Theoretischen-Physiker gemeinsam (!!!!!!!!!) gelesen werden - mit großem Erfolg. Wie sich nämlich herausstellte, konnten die Theoretiker den Stoff oft besser erklären als ihre experimentell arbeitenden Kollegen. Doch nun stellt sich die Frage, warum ist so etwas an der TU nicht möglich? Zunächst erfuhr man, daß die Kommunikation zwischen den Lehrstühlen am Physik-Department nicht besonders gut ist. Außerdem meinte der Professor, "es ist halt bisher kein Druck auf die Professoren da...". Aber mit dem jüngsten Jahrgang hat sich schon ein drastischer Rückgang bei den Studentenzahlen eingestellt, und so sei es nicht mehr möglich, die bisherigen "Ausfallquoten"in Kauf zu nehmen. Dadurch werde sich die Situation über kurz oder lang zwangsweise ändern, und die Studenten sollten versuchen, diesen Umgestaltungsprozeß aktiv mitzugestalten ...So werde am Department durchaus bemerkt, daß einige Lehrstühle seit längerem nur wenige oder praktisch keine Diplomanden, andere dagegen sehr viele haben. Mit derartigen Einsichten in die Welt der TUM verließen die Studenten zu später Stunde die Garchinger Wissensburg mit der Hoffnung, daß in Zukunft vielleicht doch alles anders (besser !?) wird, wenn jeder selbst sich nur etwas engagiert... "

Anmerkungen des Autors :

Matthias Skalitz



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